Die deutsche Physiotherapie im Blindflug
Warum die Physiotherapie in Deutschland oft im Blindflug navigiert und was eine aktuelle Studie über die Behandlungsqualität bei Arthrose verrät. Ein kritischer Blick auf die Kluft zwischen wissenschaftlicher Evidenz und therapeutischer Praxis, der zum Umdenken anregt.
Sie wollte nur Schmerzfreiheit und wieder 300 Meter am Stück laufen können. Stattdessen: Fieber, Atemnot, Intensivstation. Eine ältere Patientin, medizinisch abgesichert und konservativ auf eine Hüftoperation vorbereitet. Sie hatte verschiedene physiotherapeutische Praxen konsultiert und eine bunte Mischung aus den unterschiedlichsten Maßnahmen erhalten: von Stoßwelle über Kinesio-Taping, manuelle Therapie, Heimübungen, Schröpfen bis hin zu Faszienmassage, doch keine davon führte zum Ziel. Angesichts der Stagnation riet die behandelnde Ärztin schließlich zur Operation. Und dann: ein multiresistenter Keim, eine Lungenentzündung, Beatmung. Die Frage, ob das vermeidbar gewesen wäre, stellt sich nicht erst in der Klinik – sondern vielleicht viel früher. Vielleicht dort, wo die konservative Therapie beginnt. Vielleicht in der Physiotherapie. Denn was, wenn die präoperative Behandlung nicht evidenzbasiert war? Was, wenn passive Maßnahmen den aktiven, funktionsorientierten Aufbau verdrängen? Was, wenn die Therapie zwar gut gemeint, aber nicht gut begründet war? Was, wenn die Grundprinzipien eines progressiven, an die Patient:in angepassten Trainings nicht beachtet wurden?
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